Dienstag, 15. November 2005

Musikpiraterie: Die Kanoniere der IFPI vs. Captain Hook

In der heutigen Online-Ausgabe des Standard wird über die bisherigen "Erfolge" der Musikindustrie gegen "Filesharer" berichtet - den Originalartikel gibt's hier:
http://derstandard.at/?url=/?id=2242671
Die IT-Berichterstattung des Standards war ja kurze Zeit gar nicht so un-up-to-date, aber da hier quasi völlig unhinterfragt und unkommentiert eine Presseaussendung der IFPI gleich mit Link (nur IFPI-Link!) veröffentlicht wird, kann ich mir diese kommentierte Version einfach nicht verkneifen.


Zitat:
"150 heimische Tauschbörsen-User zahlen Schadenersatz an Musikwirtschaft
Ein Jahr der "Aktion scharf" - Verband der österreichischen Musikwirtschaft IFPI zieht positive Bilanz"

"Aktion scharf" - gab's nicht mal eine gleichlautende Großaktion im Zusammenhang mit besoffenen Autofahrern? Also mir sind Pleite-Metallica allemal lieber als ein paar überfahrene Schulkinder; was ist geblieben von embrace the net? Ganz klar: embrace the Rechtsanwälte.

Zitat:
"Von den 275 Verfahren gegen österreichische Benützer von Internet-Musiktauschbörsen, die der Verband der österreichischen Musikwirtschaft IFPI Austria wie angekündigt eingeleitet hat, wurden bisher 150, größtenteils außergerichtlich beigelegt, wobei sich die ertappten Filesharer u. a. zur Zahlung von jeweils bis zu 5.500 Euro Kosten- und Schadenersatz verpflichtet haben. Dieses Resümee über das erste Jahr der "Aktion scharf" zog der IFPI am Dienstag, in einer Aussendung."

Ein Schelm bis Hammel wer sich darüber wundert, dass 15Jährige lieber ein paar hunderter pecken als sich einen Anwalt zu nehmen und ein Verfahren gegen die IFPI durchzustehen - das ein paar Jahre dauern kann und so oder so ins Geld geht. Es ist eigentlich erstaunlich, dass man bloss aufgrund der für nicht vermögende Privatmenschen ruinösen Prozesskosten auf diese Weise Recht per Einschüchterung - ein, nicht mal kaufen, sondern eher aus monetären Gründen erzwingen kann.

Zitat:
"Das Vorgehen gegen Downloader sieht die IFPI durch gerichtliche Grundsatzentscheidungen geklärt: So hat etwa in Österreich der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 26.7.2005 klar gestellt, dass Internetprovider bei Gesetzesverstößen zur Auskunft über Name und Adresse der User verpflichtet sind. Weiter habe eine einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien bestätigt, dass bei der Teilnahme an Filesharing Urheberrecht verletzt wird."

"sieht" deshalb, weil's eben nicht geklärt "ist". Und da komm ich auf den vorigen Punkt zurück: Rechtsempfinden und Rechtspraxis können ganz ordentlich auseinanderlaufen. Es gibt das [b]Recht auf Privatkopie[/b], jeder, der sich eine CD kauft, darf diese legal an Bekannte weitergeben und so kein technischer Schutz dies verhindert, selbige auch kopieren - daher ja auch die Gesetzeskrücke von wegen "Kopierschutz darf nicht umgangen werden" samt allen damit verbundenen Problemen. Diese Privatkopie ist Gesetz - ob Tauschbörsen, die ja bloss virtuellen Kontakt erlauben, darunter fallen, darüber streiten Juristen immer noch.
es bestünde also nicht nur theoretisch die Möglichkeit, den Sachverhalt "Gesetzeverstoss" ein wenig zu differenzieren.

Zitat:
"Ergänzend haben Gerichte in mehreren internationalen Verfahren entschieden, dass die Betreiber von Tauschbörsen für Urheberrechtsverletzungen auf ihren Netzen verantwortlich sind und haften (Grokster-Urteil des US Supreme Courts, Kazaa-Urteil in Australien, Kuro-Urteil in Taiwan und Soribada-Urteil in Korea)."

Ja, das passt natürlich wunderbar zu G. Bush's New World Order: US Gerichtsbarkeit ist also plötzlich ein internationales Verfahren. US Supreme Court sowie australischens und koreanisches Pendant legen also neuerdings geltendes österreichisches Recht fest.

Zitat:
"Ziele erreicht

Mit dem Vorgehen gegen Filesharer hat die IFPI ihre selbstgestecken Ziele, nämlich "das das Wachstum des legalen Online-Musikmarktes zu fördern und das Bewusstsein für den Schutz des geistigen Eigentums im Internet zu stärken", erreicht, so der Verband in seiner Aussendung."

If you can't beat them, you gotta try to beat them? Closed Community p2p Networks, die alles verschlüsselt übertragen, sind das nächste Ding. Bis dahin viel Spaß mit ein paar verzweifelten Kids, die plötzlich ein Gerichtsverfahren am Hals haben. Irgendwie ist doch ständig die Rede davon, mehr "Unrechtsbewustsein" zu schaffen, ein grundlegendes Vertrauen gegenüber dem Kunden scheint dabei aber völlig auf der Strecke zu bleiben, wenn man sich zB die kommenden Kopier- und Aufnahmeschutzsysteme in HD-Receivern mal näher ansieht.

Zitat:
"300.000

Demnach nutzen 300.000 User Downloadshops – eine Verdreifachung innerhalb eines Jahres. Nach mehr als 600.000 im ersten Halbjahr online verkauften Musiktiteln, wird in 2005 erstmals die Grenze von einer Million pro Jahr verkaufter Downloads überschritten werden. Der gesamte digitale Musikmarkt – Internet-Downloads und mobile Markt – sorgt bereits für 3,6 Prozent der Gesamtumsätze. Im ersten Halbjahr 2005 wurden in Österreich 3,5 Millionen Euro für den Kauf digitaler Musik ausgegeben."

Wie war das mit den Umsatzrückgängen? Man darf zwar 2 Dollar und mehr für einen Song bezahlen, den man sich's aufs Handy lädt - aber dort bleibt er dann auch! Ich warte ja nur noch auf Digital Rights Managments, rechtlich verpflichtend in allen IFPI-approved Lautsprechern.

Zitat:
"Musikwirtschaft wird die "Aktion scharf" im nächsten Jahr fortsetzen

Der Verband der österreichischen Musikwirtschaft wird die "Aktion scharf" im nächsten Jahr fortsetzen. Neben Österreich wird weltweit in weiteren 16 Ländern in Europa, Nord- und Südamerika, Asien und Australien mit rechtlichen Schritten gegen die illegale Verbreitung von Musik im Internet vorgegangen. Schweden, die Schweiz, Argentinien, Hong Kong und Singapur beteiligen sich ab Diensatg an der "Aktion scharf". (red)"

[b]Die Lösung + der Stein der Weisen[/b]
- Keine Major Label (=IFPI) Datenträger kaufen
- Keine Major Label Songs online kaufen
- Keine Major Label Songs illegal downloaden
- auf Major Label Songs komplett vergessen
- net Lables, die free content anbieten, abchecken: da erscheinen pro Monat mehr qualitativ hochwertige Releases als sich der nicht Musik-Journalist anhören kann und will. Knock yourselves out.
[b]- und last but first: Leuten vertrauen, die Musik machen, weil sie das tun wollen und weil's ihnen Spass macht. Und über den Rest lachen - keine Copyrightverletzung, kein Kauf, kein gar nix.[/b]
Um nicht falsch verstanden zu werden: prinzipiell fänd ich's schon ok, Geld für Musik auszugeben. Aber wenn der Musiker 2-4% des Verkaufspreises hält, dann muss man schon die Sinnfrage stellen. Sicherlich könnten Direktvertriebe hier einiges verbessern und tun's zum Teil auch schon: letztendlich steuert also der mündige Konsument die Entwicklung - da helfen auf Dauer auch keine Klagen.

PS: Meine persönliche Konsequenz als Musikjournalist aus dem Verhalten der Musikindustrie in den letzten fünf Jahren ist: ich rezensiere keine Major Alben mehr. Konsequent. Ich hoffe, das hilft ein bisschen.

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